Berichte

Information der "Stabsabteilung Kommunikation" des Bistums Aachen, Sommer 2023:

Aufarbeitung ist ein wichtiges Thema für das Bistum Aachen.

Fragen und Antworten zum Stand der Aufarbeitung.

Eine konsequente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist Grundlage für die Glaubwürdigkeit der
Kirche. „Aufarbeitung ist kein Projekt, keine kurzfristige Maßnahme, sondern eine Frage der
Haltung von uns allen. Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bleibt ein Thema für die Kirche und die
ganze Gesellschaft“, sagt Generalvikar Dr. Andreas Frick. Das gilt auch mit Blick auf die Nennung
von Täternamen, der eine besondere Bedeutung zukommt.

Mit Pfarrer Leonhard Meurer und Pfarrer Dieter Wintz hat das Bistum Aachen im Mai zwei
Namen öffentlich gemacht. Wann folgen weitere?

Derzeit entwickeln interdisziplinäre Fachexperten in Absprache mit den Gremien, die die
Aufarbeitung kontrollieren und begleiten, eine Systematik, die als Grundlage für die öffentliche
Nennung dient. Die Persönlichkeitsrechte der Täter treten dabei hinter den Schutz und die
Interessen von Betroffenen zurück. Diese Kriterien sollen bis zum Ende des Monats vorliegen.

Warum ist eine solche Systematik erforderlich?

Die Veröffentlichung muss juristischen Einwänden standhalten. Dazu braucht es eine
Vorbereitung. Veröffentlicht werden sollen nicht nur Namen der Täter, die im Gutachten aus dem
Jahr 2020 genannt werden, sondern in begründeten Einzelfällen weitere Namen. „Eine
differenzierte Betrachtung ist kein Ergebnis von Vertuschung, sondern Ausdruck dessen, in einem
Rechtsstaat rechtsstaatliche Standards und Mittel zu wahren. Es gibt die zwingende Notwendigkeit
im Sinne höchstmöglicher Transparenz, nachvollziehbare Systematiken zu entwickeln“, betont
Andreas Frick. Dies schließt auch die Begleitung betroffener Gemeinden ein. Die Erfahrung zeigt,
dass die Nennung eines Täternamens in Gemeinden sehr unterschiedliche Reaktionen hervorruft.
Sie löst Verunsicherung und Irritation aus. Dabei gibt es Menschen, die den Vorwürfen Glauben
schenken und sich für eine Aufarbeitung einsetzten, andere, die Vorwürfe nicht glauben können
oder nicht glauben wollen. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass oftmals noch weitere
Betroffene vor Ort leben, deren Geschichte noch nicht bekannt ist.

Was bedeutet die öffentliche Nennung von Tätern für die Betroffenen?

Den oder die Betroffene gibt es nicht. Jeder Fall ist anders. Dies gilt auch für die Nennung von
Tätern. „Die Sicht der Betroffenen, ihre Anliegen sowie ihr Schutz vor Belastungen und
Retraumatisierung stehen im Mittelpunkt all unserer Maßnahmen“, sagt Andreas Frick. Immer und
zu jeder Zeit müsse deswegen die Hoheit über das eigene Verfahren bei den Betroffenen selbst
liegen.

Wie viele Betroffene sind dem Bistum Aachen bekannt?

Insgesamt 250 Betroffene sind dem Bistum Aachen bekannt. Davon haben 134 Betroffene Anträge
auf Anerkennung des Leids gestellt, die von der Unabhängigen Kommission für
Anerkennungsleistungen (UKA) in Bonn auf Plausibilität geprüft wurden. 116 Betroffene haben
keine Anträge gestellt.

Wie viel Entschädigungszahlungen wurden bisher geleistet?

Im Bistum Aachen sind bis Juni insgesamt 2,355 Mio. Euro an Betroffene gezahlt worden. Eine
Höchstgrenze für Zahlungen durch die UKA gibt es nicht. In drei Fällen hat das Bistum Aachen
mehr als 100.000 Euro gezahlt. Das jüngste Urteil des Landgerichtes Köln, das einem Betroffenen
300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hat, wird nicht nur Auswirkungen auf bisherige
staatliche Schmerzensgeldtabellen haben, die bislang keinen sexuellen Missbrauch abbilden. Es
wird auch die Anerkennungsleistungen durch die UKA beeinflussen.

Erfolgen die aktuellen Entschädigungszahlungen aus Kirchensteuermitteln?

Nein. Bischof Dr. Helmut Dieser hat im November 2020 einen Solidaritätsfonds eingerichtet. Der
Fonds speist sich aus zweckgebundenen Spenden, Beiträgen von Bischöfen und Priestern sowie
aus Überschüssen des Bischöflichen Stuhls. Ohne dass Kirchensteuermittel aufgewendet werden,
bestreitet der Fonds die materiellen Leistungen des Bistums Aachen für Betroffene. Das Bistum
Aachen wird außerdem alle rechtlichen und faktischen Möglichkeiten voll ausschöpfen, Täter zur
finanziellen Verantwortung heranzuziehen.

Wer gilt als Täter?

Als Täter gelten diejenigen, die entweder verurteilt wurden oder nach Überzeugung des Bistums
Aachen Täter waren oder sind. Damit sollen auch bislang noch unbekannte Betroffene aufgerufen
werden, sich zu melden.

Wie viele Täter sind dem Bistum Aachen bekannt?

Per Ende Juni 2023 sind dem Bistum Aachen 121 Beschuldigte namentlich bekannt. Darunter
befinden sich 110 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern. Die
weiteren elf waren Hausmeister, Küster, Lehrer und Erzieher. Dem Bistum Aachen sind 13
einschlägige Verurteilungen seit 1935 bekannt. Gegen alle bekannten lebenden beschuldigten
Kleriker hat das Bistum Aachen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Viele Taten sind
„verjährt“. Dies macht eine strafrechtliche Verfolgung durch Gerichte nicht möglich.

Wie lässt sich das Dunkelfeld weiter erhellen?

Missbrauch entsteht immer in speziellen (Macht-)Kontexten. Täterstrategien sind oft so perfide,
dass sie kaum erkennbar sind. Dies macht die Betrachtung der Vergangenheit und der
systemischen Ursachen unverzichtbar. Denn bisweilen haben viele Menschen etwas geahnt.
„Umso wichtiger ist es, dieses Thema auch vor Ort zur Sprache zu bringen. Dies wird ein weiterer
wesentlicher Schritt sein, den wir erarbeiten“, sagt Andreas Frick. So kann das Dunkelfeld weiter
erhellt und Betroffene ermutigt werden, sich anzuvertrauen.

Wie handelt das Bistum Aachen bei aktuellen Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt?

Jeder neue in der Intervention gemeldete Fall wird der Staatsanwaltschaft gemeldet. Staatliches
Recht hat Vorrang. Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen Priester, wird erst nach
Abschluss des staatlichen Verfahrens ein kirchenrechtliches eingeleitet.

Und wer kontrolliert die Aufarbeitung im Bistum Aachen?

Diese unabhängigen Gremien kontrollieren und begleiten die Aufarbeitung: Der Betroffenenrat
vertritt die Interessen der Betroffenen. Die unabhängige Aufarbeitungskommission, in der externe
Expertinnen und Experten sowie Betroffene vertreten sind, hat zur Aufgabe, die
Aufarbeitungsergebnisse zu dokumentieren. Der Ständige Beraterstab des Bischofs ist ein
weiteres Gremium, das in einem offenen Dialog kritische Punkte anspricht. Mit allen Gremien ist
das Bistum Aachen in intensivem Austausch.

Welche konkreten Maßnahmen hat das Bistum Aachen seit Veröffentlichung des
Gutachtens 2020 umgesetzt?

Das unabhängige Gutachten der Münchener Kanzlei - heute Westphal & Spilker Rechtsanwälte –
hat die systemischen Ursachen durch Klerikalismus und sogenannten Co-Klerikalismus klar
benannt. Die Konsequenzen unter anderem: Neuausrichtung der Priesterausbildung,
konsequenter Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die
weitere Professionalisierung von Intervention und Prävention, die seit 2011 systematisch
aufgebaut wurde. Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ehrenamtlich Engagierte, die
mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen regelmäßig an Präventionsschulungen teilnehmen
und alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Dies gilt auch für Priester.

Melden Sie Missbrauch

An die Adresse missbrauch-melden.de oder an die Telefonnummer 0241 452-225 können sich
Betroffene und Zeugen sexualisierter Gewalt wenden, die Vorfälle melden wollen oder
Informationen, Beratung oder Hilfe benötigen. Die Hotline ist montags, mittwochs und freitags von
9:00 bis 16:00 Uhr erreichbar. Dienstags und donnerstags von 16:00 bis 20:00 Uhr. Ihre Angaben
werden vertraulich behandelt und es stehen Ihnen geschulte Ansprechpersonen zur Seite.